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Kultur Ein Mann, ein Wort

Was „Coming-out“ mit einem Ball-Debüt zu tun hat

Feuilletonredakteur
Thomas Hitzlsperger ist der erste hochrangige deutsche Fußballprofi, der sich als Homosexueller outete Thomas Hitzlsperger ist der erste hochrangige deutsche Fußballprofi, der sich als Homosexueller outete
Thomas Hitzlsperger ist der erste hochrangige deutsche Fußballprofi, der sich als Homosexueller outete
Quelle: REUTERS
Die Wörter Coming-out und Outing bezeichneten einmal verschiedene Sachen. Wie kommt es, dass sie mittlerweile gleichbedeutend sind? Eine Spurensuche bis zurück zu den Romanen von Jane Austen.

Im Zusammenhang mit der Eröffnung des ehemaligen Fußballnationalspielers Thomas Hitzlsperger, er sei homosexuell, ist in sehr vielen Medien von einem Outing die Rede gewesen. Offenbar hat das Substantiv Outing mittlerweile den Beiklang des Unfreiwilligen abgelegt und ist gleichbedeutend mit Coming-out geworden beziehungsweise ersetzt dieses sogar.

Ursprünglich bedeutete Outing das unfreiwillige Enthüllen der bis dahin geheim gehaltenen Homosexualität eines (meist prominenten) Zeitgenossen, während ein Coming-out darin bestand, dass jemand sich – wie jetzt Hitzlsperger – ohne Zwang als schwul bekannte. Das Substantiv outing und das dazu gehörige Verb to out kamen um 1990 zunächst in Amerika auf, als schwule Aktivisten dort begannen, berühmte Homosexuelle bloßzustellen, die ihre Neigung lieber geheim halten wollen.

Ein Pionier dieser Praxis war der Journalist Michelangelo Signorile, der unter anderem den Musikproduzenten David Geffen als schwul outete. Er hielt dies für angebracht, weil Geffen mitverantwortlich für die Homosexuelle verunglimpfenden Texte der Gruppe Guns N’ Roses war.

Outen kann für andere Enthüllungen stehen

Der früheste Beleg für die genannte Bedeutung von to out, den das Oxford English Dictionary nennt, stammt aus „Time“ von 29. Januar 1990, macht aber klar, dass das Verb bei schwulen Aktivisten schon Ende der Achtzigerjahre im Gebrauch war. Im gleichen „Time“-Artikel steht auch das Substantiv outing.

Auf Deutsch ist Outing – das Wort und die Praxis – schlagartig bekannt geworden, als der Regisseur Rosa von Praunheim am 10. Dezember 1991 in der RTL-Show „Explosiv“ die Fernsehentertainer Hape Kerkeling und Alfred Biolek als Schwule bezeichnete. Rasch wurde outen auch ironisch im übertragenen Sinne für harmlose Enthüllungen gebraucht, die gar nichts mit Homosexualität zu tun hatten.

Benutzt wurde das Wort vereinzelt aber schon vorher, meist mit Bezug auf amerikanische Verhältnisse. Der früheste bisher bekannte deutsche Beleg dafür findet sich im COSMAS-Korpus des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim. Er stammt aus den „Nürnberger Nachrichten“ vom 28. Juli 1990, ist also nur ein halbes Jahr älter als der amerikanische Frühbeleg, und lautet: „Dagegen setzen amerikanische Schwulenorganisationen das ,Outing’, die öffentliche Bekanntmachung homosexueller Politiker und Wirtschaftsbosse. Diese Art der Offensive, die Bloßstellung, gilt hierzulande jedoch als unfein.“

Ursprünglich bezeichnete der Begriff ein Ball-Debüt

Das älteste bisher bekannte Fundstück für das Verb outen findet sich ebenfalls in den „Nürnberger Nachrichten“: „Elitz [der damalige Chefredakteur Fernsehen des Süddeutschen Rundfunks, DW] sagte, er fühle sich von Rosa von Praunheim ,gelinkt’, weil ,es Absprachen gab, nicht in der Sendung zu outen’. Elitz will sich außerdem bei denjenigen entschuldigen, die der homosexuelle Regisseur in der Sendung ,diffamiert’ habe,“ heißt es da am 27. Februar 1992. Da diese Zeitung nicht gerade ein schwules Insiderblatt ist, darf man aber davon ausgehen, dass das Wort outen schon vorher allgemein verbreitet war.

Im August 1992 heißt es dann wieder in der „Zeit“, Redakteure würden sich „als konsumistische Ja-Sager outen“. Interessant daran ist, dass die Journalisten sich selbst outen: outen und Outing sind bereits ein Jahr, nachdem sie massenhaft in die deutsche Sprache eingingen, zu etwas geworden, dass man nicht mehr durchleidet, sondern das man selbst bestimmt.

Outing ist also schon 1992 ein Synonym für den schon gut zehn Jahre länger eingedeutschten Begriff Coming-out. Der erste Beleg im DWDS stammt ebenfalls aus der „Zeit“ und dort wird das Wort am 9. Dezember 1983 gleich erklärt: „Das, was die Schwulen ihr coming out nennen: das Eingeständnis der eigenen Homosexualität, das Bekenntnis schließlich zur gesellschaftlich immer noch nicht akzeptierten Andersartigkeit.“ Breite Bekanntschaft erlangt der Begriff auch durch den Film „Coming Out“ des DDR-Regisseurs Heiner Carow aus dem Jahre 1989.

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In Amerika wurde die Redewendung coming out (of the closet) „aus dem Schrank kommen“ von Schwulen und Sexualwissenschaftlern mindestens seit den Fünfzigerjahren benutzt. Schon vor dem Ersten Weltkrieg war laut dem Historiker George Chaucey die Redewendung to come out gebräuchlich – im dem Sinne, dass man heraus aus der Heterosexualität kommt und herein in Welt der Homosexuellen. Ursprünglich hatte to come out bedeutet, dass eine junge Frau aus der höheren Gesellschaft ihr Debüt bei ihrem ersten Ball gibt. In diesem Sinne heißt es etwa 1814 in Jane Austens Roman „Mansfield Park“: „Miss Price had not been brought up to the trade of coming out.“

Das Wort Homophobie hat eine junge Geschichte

Zwei andere Begriffe, die man im Zusammenhang mit dem Hitzelsperger-Coming-Out jetzt oft las, ist Homophobie und das zugehörige Adjektiv homophob. Man versteht unter Homophobie die Abneigung gegen Homosexuelle beziehungsweise deren Diskriminierung. Das Wort ist pseudo-altgriechisch-lateinisch und wurde analog zu Xenophobie („Fremdenhass“, „Angst vor Fremden“) gebildet. Es hat eine sehr junge Geschichte. In Amerika ist homophobia laut OED seit 1969 belegt, das Substantiv homophobe und das Adjektiv homophobic seit 1971. Vorher gab es schon seit 1920 das Wort homophobia mit einer ganzen anderen Bedeutung, nämlich „Männerfeindlichkeit“ oder ganz allgemein „Menschenfeindlichkeit, Misanthropie“.

Danach vergingen noch etwa 20 Jahre, bis die genannten Wörter ins Deutsche gelangten. Im Februar 1992 schreibt ein Autor in der „Zeit“ über die Zustände in der amerikanischen Schwulen-Hauptstadt San Francisco: „Mancher Politiker hat lernen müssen, dass Homophobie (eine philologische Missbildung, hinter der sich Phobie gegen Homosexualität verbirgt) durchaus die Wahl kosten kann.“ Homophob ist schon etwas früher belegt, das DWDS-Beispiel vom 29. März 1991 lautet: „Daß etwa in der Provinzstadt Würzburg überhaupt Homosexuelle gefangen wurden, habe daran gelegen, daß dort ein besonders homophober Nazi tätig war.“

Häufiger werden Homophobie im Deutschen allerdings erst um 2000 im Zusammenhang mit der Debatte um die schwulenfeindlichen Texte des Rappers Eminem gebraucht. Mittlerweile sind Homophobie und homophob längst auch hier zu omnipräsenten politischen Schlagwörtern geworden, die von homosexuellen Interessengruppen nicht immer sehr differenziert gebraucht werden, um auch den leisesten Widerspruch gegen ihre politische und gesellschaftliche Lobbyarbeit zu verunglimpfen.

Magdalena Neuner findet Hitzlspergers Outing toll

Das Outing des Ex-Nationalspielers Thomas Hitzlsperger zieht seine Kreise. So äußern sich Kollegen wie Arjen Robben, Sebastian Kehl und Holger Badstuber, aber auch Magdalena Neuner.

Quelle: SID

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