Notwendige Taktik

Outing ist so schädlich wie ein „Oscar“  ■ Von Michelangelo Signorile

Wieder einmal schelten unsere hochgeistigen und idealistischen Medien die Aktivisten der Schwulen- und Lesbenbewegung für die Praktik des Outing, verurteilen sie die „Radikalen“ — dabei ist es erst ein paar Wochen her, da breiteten diese Medien noch die außerehelichen Sexabenteuer des Präsidentschaftskandidaten Bill Clinton auf ihren Titelseiten aus. Natürlich ohne sich vorher seinen Segen geben zu lassen.

Es muß wohl so etwas wie „Reportage“ gewesen sein, wichtige Informationen, die den mündigen Bürgern keinesfalls vorenthalten werden dürfen. Und das, was diejenigen Leute tun, die andere outen, ist selbstverständlich nichts anderes als „eine Invasion gegen die Privatsphäre“. Täglich verändern die Medien das Leben von unzähligen Personen des öffentlichen Lebens, indem sie bloße Tatsachen über deren Heterosexualität reportieren. Wenn man aber anfragt, warum sie nicht schreiben, daß jemand schwul oder lesbisch, dann ist ihre Entschuldigung für diese verschleierte Homophobie die vorgebliche Tatsache, daß dadurch Karrieren ruiniert würden. Der Tatsache zum Trotz, daß bislang keine Person, die geoutet wurde, einen Karriereknick hinnehmen mußte.

Ohnehin ist es nicht die Aufgabe der Medien, Karrieren zu schützen. Aber es ist der Job der AktivistInnen, die Bewegung voranzubringen — sie sind nicht dafür zuständig, das Vermögen von Millionären zu mehren, indem sie Komplizen ihrer Lügen sind. Um den Haß und die Gewalt gegen Schwule zu stoppen, müssen wir Amerika zeigen, daß wir nicht die Serienkiller sind, als die uns Hollywood porträtiert, sondern in Wirklichkeit genau die Schauspieler und Schauspielerinnen, die in eben diesen Filmen spielen. Bis Hollywood uns vernünftig behandelt, muß Outing ein notweniger Teil dieses Prozesses bleiben.

Der Kommentar erschien in 'USA Today‘. Signorile ist Kolumnist der Schwulen- und Lesbenzeitschrift 'The Advocate‘.