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Marc Röhlig

»Blackfacing« beim BR Dieser »Witz« ist Rassismus aus Bequemlichkeit

Marc Röhlig
Ein Kommentar von Marc Röhlig
Der Satiriker Helmut Schleich malt sein Gesicht für einen TV-Sketch schwarz an. Der Bayerische Rundfunk will vorab »intensiv« mit ihm diskutiert haben, brachte den Beitrag aber trotzdem. Das zeigt, warum der Kampf gegen Rassismus hierzulande nicht vorankommt.
Helmut Schleich als schwarz angemalter Despot im Format »SchleichFernsehen«

Helmut Schleich als schwarz angemalter Despot im Format »SchleichFernsehen«

Foto: Arnulf Hettrich / imago images/Arnulf Hettrich

Satire darf ziemlich viel. Vor allem darf sie wehtun, sollte sie sogar. Wenn Kabarettistinnen und Kabarettisten auf die Bühne steigen, dürfen Politikerinnen, Wirtschaftsbosse und Funktionäre ruhig ins Schwitzen geraten. Wer in der Öffentlichkeit steht, muss damit rechnen, durch den Kakao gezogen zu werden.

Auch der Satiriker Helmut Schleich hält es nach Auskunft seines Senders so. Im Bayerischen Rundfunk (BR) witzelt er seit zehn Jahren in der Sendung »SchleichFernsehen«, einmal monatlich erscheint eine neue Ausgabe. Über das Format heißt es auf der Homepage des Senders, Schleich parodiere »die Mächtigen – und die, die es gerne wären«.

In der jüngsten Ausgabe waren diese Mächtigen: Schwarze.

Schleich hatte sich als afrikanischer Despot verkleidet und die Klischeekeule rausgeholt. In Fantasieuniform und mit einem ausgestopften Krokodil wedelnd, redete er davon, wie er sein Volk unterdrücke – Shutdown und »Shut up« bekomme er auch ohne Infektionsschutzgesetz hin. Der Sketch soll eine Parodie auf das Coronamanagement der »Bananenrepublik« Deutschland sein. Um es auch den begriffsstutzigsten Zuschauenden deutlich zu machen, griff Schleich dafür tief in den Farbtopf und malte sich sein Gesicht schwarz an.

»Blackfacing« ist zu Recht verpönt

Was Schleich da macht, wird als »Blackfacing« bezeichnet. Und das ist rassistisch. Die Maskerade hat ihren Ursprung in den »Minstrel Shows« des 18. und 19. Jahrhunderts, weiße Schauspieler schwärzten ihre Gesichter, um sich über Schwarze lustig zu machen. In den vergangenen Jahren gab es eine breite Debatte über »Blackfacing«, es ist mittlerweile zu Recht verpönt.

Nun lässt sich über Humor streiten – man könnte dem Bayerischen Rundfunk und Schleich einfach unterstellen, es nicht besser gewusst zu haben. Dem ist aber nicht so. Nach umfangreicher und empörter Kritik im Netz hat sich der Sender zu Wort gemeldet. »Die Diskussionen zum Thema ›Blackfacing‹ und der damit verbundenen Problematik waren der Redaktion bewusst, und deshalb wurde im Vorfeld der Sendung über diesen Beitrag intensiv mit Helmut Schleich diskutiert«, heißt es.

Wenn ich übersetzen darf: »Wir kennen die Debatte. Die ist uns aber wurscht!«

Der BR erklärt weiter, man müsse dem Künstler, also Schleich, einen bestimmten »Freiraum für satirische Überhöhungen« zubilligen. Im Sketch sei es um »autoritäres Machtverständnis« gegangen, man dürfe die Figur – also Schleich mit schwarzem Gesicht – »nicht losgelöst vom Text beurteilen«.

Warum muss der Strauß-Sohn schwarz sein?

Das greift als Gegenargument zu kurz. Schleich mimt in dem Auftritt die erfundene Figur Maxwell Strauß, ein angeblicher unehelicher Spross des früheren CSU-Chefs Franz Josef Strauß, der es in Afrika zum Führer des fiktiven Staates Mbongalo geschafft hat. Von dort aus erklärt er den Deutschen daheim, wie Politik funktioniert.

Abgesehen davon, dass die Sprüche (»Korruption ist schlecht… aber nur, wenn man sich erwischen lässt.«) wenig originell sind: Warum muss Maxwell Strauß eine schwarze Figur sein? Wenn es darum geht, einen Despoten mit CSU-Kolorit zu mimen, braucht es nicht zwingend schwarze Schuhcreme im Gesicht. Und wenn doch, wenn unbedingt ein Schwarzer für die Nummer gebraucht wird – gibt es im ganzen Freistaat oder im Rest der Republik keinen schwarzen Satiriker, der die zwei Minuten Sketch hätte füllen können?

All das sind Fragen, die den Verantwortlichen beim BR hätten durch den Kopf gehen können, wenn ihnen die mit »Blackfacing« verbundene Problematik tatsächlich bewusst war. Die einzige Antwort, die ihnen einfiel: Nö, das soll so.

Nicht hinter jedem schlechten Witz steckt eine böse Absicht

Beim Öffentlich-Rechtlichen gab es erst kürzlich einen anderen Fall von »Blackfacing«. Der WDR hatte in der Karnevalssendung »Jet zo fiere! Das Beste aus der Verleihung des Ordens ›Wider den tierischen Ernst‹« eine Passage mit schwarz geschminkten Menschen gezeigt. Es war zwar eine alte Aufnahme, aber gezeigt wurde sie dennoch. Danach entschuldigte sich der Sender und regte eine Debatte über Rassismus an.

Darüber, was Rassismus ist und was nicht, sollten wir reden. Nicht hinter jedem schlechten Witz steckt eine böse Absicht – und nicht jeder, der sich für die Gleichwertigkeit aller Menschen einsetzt, will deshalb automatisch alle Satiresendungen »canceln«. Man kann Schleich zugutehalten, dass er eigentlich über Politiker witzeln wollte, über die echten Mächtigen, dass es ihm nie um Schwarze ging.

Aber sie dennoch zu parodieren – trotz der Debatten über »Blackfacing«, in Kenntnis der Schmähung gegenüber schwarzen Mitbürgerinnen und Mitbürgern – ist ignorant. Und nicht darüber nachzudenken, wie der Witz anders (und vielleicht sogar besser) hätte werden können, ist zu bequem.

Ignoranz und Bequemlichkeit. Das sind im Übrigen zwei der Hauptgründe, warum die Deutschen beim so wichtigen Thema Rassismus kaum vorankommen.