Pronomen-Streit: Berliner LGBT-Organisation bekommt Mega-Shitstorm
Die Berliner LGBTQ-Organisation „Liebe wen du willst“ kämpft gegen Hasskriminalität und setzt sich gegen Mobbing, Diskriminierung und Hetze ein. Seit Sonntag steht die gemeinnützige NGO wegen gleich mehrerer Videos plötzlich selbst am Pranger – Shitstorm inklusive!
„Xier, Xiem, Xylophone – waaaas?“ – mit dieser vermeintlichen Satire startete die queere Organisation am Wochenende ein Video zum Thema „selbstgewählte Pronomen“. Und DAS sorgt aktuell für mächtig Ärger auf TikTok, Facebook und Instagram.
Der Vorwurf: Nicht-binäre Personen und Trans-Menschen wurden von der NGO vorgeführt und diskriminiert, indem man ihnen etwa die freie Wahl ihrer Pronomen abspricht.
Podcaster und „Prince Charmig“-Teilnehmer Lars Tönsfeuerborn (31) spricht in diesem Zusammenhang sogar von „möglicher Gefährdung von Jugendlichen“. Er machte den Vorfall durch seine Reichweite auf Instagram noch öffentlicher.
Zuvor hatte bereits die TikTokerin „Frau Löwenherz“ die Organisation heftig kritisiert.
Freie Pronomen-Wahl?
Klingt kompliziert – und ist es irgendwie auch. Denn dazu muss man erst einmal verstehen wollen, warum Menschen ein anderes Pronomen als „er“ oder „sie“ für sich in Anspruch nehmen.
Vorgeführt und ausgelacht
Doch allein um Pronomen geht es bei „Liebe wen du willst“ mittlerweile gar nicht mehr. Denn: Bei einem Instagram-Livestream am Sonntagabend sollen Mitglieder der NGO Betroffene vorgeführt, beleidigt und anschließend blockiert worden sein – obwohl die sich eigentlich nur kritisch zu dem Pronomen-Video äußern wollten.
Im Video machten sich zwei Mitglieder der Organisation, darunter Gründer Steve Hildebrandt (37), über die Personen und Kommentare im Livestream lustig, lachten sie förmlich aus.
„Als queere Organisation“, die sich besonders an junge LGBTQ-Menschen richtet und sich gegen Hass, Hetze und Diskriminierung einsetzt, sei das „ein Armutszeugnis“ heißt es in einem der zahlreichen Kommentare unter einem weiteren Video, das „Liebe wen du willst“ am Montag als „das heiß ersehnte Statement-Video zum Thema Pronomen“ ankündigte.
Allerdings: Das erhoffte Erklär-Video machte es für viele nur noch schlimmer!
Seitdem kommentieren zahlreiche queere Stars und Sternchen, Podcaster, Influencer und LGBTQ-Aktivisten unter dem Video.
Die lesbische Podcasterin von Busenfreundin findet: „Wow, so viel Unprofessionalität und Empathielosigkeit hab‘ ich lange nicht gesehen. Unverständnis auf allen Ebenen.“
Drag-Performer und „Queen of Drags“-Teilnehmer Tim alias Bambi Mercury kommentiert: „Auch wieder ein Beispiel, seine Reichweite und Plattform nicht sinnvoll zu nutzen. SEHR SCHADE!“
In BILD sagt der Kölner Reality-Star David Lovric (25, „Prince Charming“): „Kritik sollte man annehmen können, grade wenn auch über so sensible Themen gesprochen wird.“
Lars Tönsfeuerborn ärgert sich darüber, dass die Organisation „anstatt auf die berechtigte Kritik einzugehen“, versucht, sich „rauszureden“.
Und weiter: „Ihr habt euch gestern öffentlich über Betroffene lustig gemacht, diese diskriminiert und als Witzfiguren dargestellt. Ganz davon abgesehen, dass euer Verein von Grund auf die seelische Gesundheit Jugendlicher gefährdet“, so Tönsfeuerborn. Er arbeitete sich gemeinsam mit seinen Kollegen durch die Webseite, etliche Videos und Kommentare, fasste dann die Recherchen seines Teams in einem Video zusammen. Noch am selben Abend veröffentlichte er Teile des besagten Livestreams. Der Titel: „ES REICHT.“
Verhalten sei „ein absolutes No-Go“
Für Tönsfeuerborn ist das Skandal-Video auch deshalb besonders schlimm, weil ihm das Thema seelische Gesundheit sehr am Herzen liegt, wie er in BILD erklärt.
Ihm sei bewusst, „welche Ausmaße eine falsche Behandlung von Menschen mit einer anderen sexuellen Orientierung oder Identität haben kann“. Dass Mitglieder in einem Video, das sich besonders an Jugendliche richtet, dann auch noch Dosenbier „saufen“, findet er „wirklich schwierig und im Rahmen einer solchen Organisation ein absolutes No-Go“.
Doch damit nicht genug! Tönsfeuerborn bemängelt auch das aktiv beworbene „Krisen- und Notfalltelefon“ der Organisation, wo sich diskriminierte Betroffene „für eben solche Situationen“ hinwenden können.
Sein Vorwurf: Das Management des Telefons läge bei einem 17-Jährigen! „Gerade, wenn es um die seelische Gesundheit geht“, müsse man davon ausgehen können, „dass man mit Fachkräften spricht“ und „ausgebildetes Personal zur Verfügung steht“ und „nicht nur Jugendliche für Jugendliche“.
Hunderte Kommentare sind unter dem Video bereits eingegangen. Der Tenor: Fast alle sind sich einig, dass die queere Organisation zu weit gegangen ist. Lovric: „Jeder der Kritik an diesem Verein geäußert hat, wurde ausnahmslos blockiert und alle Kommentare wurden gelöscht.“ Das wird schon jetzt offenbar anders gehandhabt.
Gründer versucht sich in einer Erklärung
In der Nacht auf Dienstag meldete sich dann „Liebe wen du willst“-Gründer Steve Hildebrandt (37) selbst zu Wort. Kurz zuvor bat BILD ihn um eine persönlichen Stellungnahme. In gleich drei Videos versucht sich Hildebrandt für das Gesagte zu entschuldigen.
Zu den Anschuldigungen erklärt er in seinem Video: „Das Team anzugreifen, dass jeden Tag so vielen Menschen hilft, was jeden Tag so viele Menschen rettet, da fühle ich mich persönlich angegriffen.“
Eine Diskussion ist hier allerdings nicht möglich: Die Kommentarfunktion unter den drei „Statement“-Videos wurde abgeschaltet.
Doch es kommt noch schlimmer für die LGBT-Organisation.
Der neueste Vorwurf: Die Organisation, die laut Webseite mit zahlreichen Institutionen wie der Berliner Polizei und dem „Bündnis Kinderschutz“, mit Organisationen und mit Prominenten, wie Hape Kerkeling und Riccardo Simonetti zusammengearbeitet hat, könnte einige Kooperationen nur vorgetäuscht haben.
Der Berliner LGBTQ-Club „SchwuZ“ erklärte bereits, dass sie gar nicht mit dem Verein zusammenarbeiten würden.
Auch Szene-Größen wie „Promis unter Palmen“-Dragqueen Katy Bähm gehören angeblich zu den prominenten Unterstützern. Bähm dazu auf Instagram:
Das ehrenamtliche Beratungsnetzwerk Coming out und so geht noch einen Schritt weiter und will die Kooperation „zeitnah“ beeden, weil das „aktuelle Verhalten definitiv untragbar“ ist.
Tönsfeuerborn resümiert: „Wie sollen wir die Akzeptanz in der Gesellschaft durchsetzen, wenn wir es nicht einmal in der eigenen Community schaffen?“ Ein Punkt, der ihm besonders am Herzen liegt. Denn der Zusammenhalt innerhalb der Community sei besonders wichtig: „Die Anfeindungen innerhalb unserer Bubble und das Unverständnis muss endlich enden. Jeder Mensch ist gut so, wie er ist!“
Die BILD-Anfrage an „Liebe wen du willst“-Gründer Steve Hildebrandt blieb bislang unbeantwortet.
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