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AfD-Führung zerstreitet sich wegen Pegida-Bewegung

Die jüngste Montagsdemo der Pegida-Anhänger: Tausende marschieren auf dem Terrassenufer in Dresden Die jüngste Montagsdemo der Pegida-Anhänger: Tausende marschieren auf dem Terrassenufer in Dresden
Die jüngste Montagsdemo der Pegida-Anhänger: Tausende marschieren auf dem Terrassenufer in Dresden
Quelle: dpa
Viele AfD-Wähler oder Sympathisanten gehen in Dresden auf die Straße. Doch der Parteivorstand streitet über die Haltung zu den „Patriotischen Europäern“. Die Basis verlangt ein klares Bekenntnis.

Einige Wochen hatte die AfD zu den „Patriotischen Europäern gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) geschwiegen. Während die Sympathie vieler AfD-Mitglieder mit der Zahl derer wuchs, die allwöchentlich in Dresden schweigend auf die Straße gingen, blieb die Parteispitze unschlüssig, wie sie sich verhalten sollte. Erst als am vergangenen Montag 7500 Bürger friedlich gegen die ihrer Ansicht nach zu befürchtende „Islamisierung des Abendlandes“ demonstrierten, wagte sich Parteisprecherin Frauke Petry vor.

„Auch in Dresden ist es das gute Recht eines jeden Bürgers, zu demonstrieren und friedlich sein Anliegen öffentlich zu machen. Blockaden dagegen sind Straftaten, die von der Polizei konsequent unterbunden werden müssen“, sagte sie der rechtskonservativen Zeitung „Junge Freiheit“. Wie aber die AfD-Spitze zum Anliegen der vielen Demonstranten stand, das sagte sie nicht.

Sie konnte es schlicht nicht, weil es keine Beschlusslage der Parteispitze dazu gab. Darum wollte der Bundesvorstand nach der Petry-Äußerung eine gemeinsame Stellungnahme verabschieden. Parteisprecher Konrad Adam lieferte den Entwurf, über dessen Ausformulierung dann im Bundesvorstand lautstark gestritten wurde, wie Teilnehmer berichten. Zu einem Ergebnis führte die Debatte jedoch bis zum Samstag nicht. Es gab lediglich eine leicht korrigierte Fassung, die der „Welt“ vorliegt.

Gleichzeitig stieg die Erwartungshaltung der Basis. Die Parteispitze erreichten wütende Mails von Mitgliedern und Sympathisanten, die endlich ein klares Bekenntnis der AfD zu Pegida verlangten. „Ist Schweigen Politik? Nein – Schweigen ist Schwäche!“, schrieb einer. Er wollte wissen, warum die AfD in „den Schicksalsfragen unseres Landes“ so zurückhaltend auftrete. Wörtlich: „Warum gibt sie diesen Demonstrationen nicht einen starken, überzeugenden Schub? Warum wehrt sie sich nicht entschlossen gegen die ,Umvolkung‘, ehe es ganz zu spät ist?“ Ganz offensichtlich sei die AfD im Winterschlaf.

Die Parteispitze fürchtet, sich angreifbar zu machen

In diesem Zusammenhang machte auch eine von der Bundesgeschäftsstelle der Republikaner verschickte Mail die Runde, in der die Medien für ihre Pegida-Berichterstattung gescholten werden.

Derart unter Zugzwang gesetzt, gerieten die Mitglieder des AfD-Vorstandes am Freitagvormittag über Pegida noch einmal heftig aneinander. In ihrem Streit über das weitere Vorgehen gab die Furcht gleich in doppeltem Sinne den Ton an. Zum einen fürchtet die Parteispitze, über ein klares Bekenntnis zu Pegida ideologisch angreifbar zu werden. Vor allem Bernd Lucke traue den Organisatoren nicht, heißt es. Er rechne mit rechtsextremen Entgleisungen innerhalb der Pegida-Bewegung, vor denen er die AfD schützen wolle. Darum suche er nach einer Sprachregelung, die sich am ehesten mit der Redensart beschreiben lasse: „Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass.“

Seine Ko-Vorsitzenden Frauke Petry und Konrad Adam sowie Parteivize Alexander Gauland haben da weniger Berührungsängste. Doch halten sie sich angesichts der demonstrativ-restriktiven Ablehnung ihrer Ansichten durch Lucke und Parteivize Hans-Olaf Henkel mit weiteren öffentlichen Äußerungen zurück. Und in dem von Adam vorformulierten Papier, das als Brief an die Mitglieder gehen soll, taucht der Begriff Pegida nicht einmal mehr auf.

„Protest gegen eine Politik“, die Bürger diffamiere

Adam schreibt, die AfD sei zu „verantwortungsvoller Arbeit im Interesse unseres Landes und seiner Bürger verpflichtet“. Sie habe aber auch „volles Verständnis für alle, die mit dem Versprechen von Demokratie, Teilhabe und Mitbestimmung Ernst machen“ und sich von der jahrzehntelangen „Gängelei durch die Gesinnungspolizei der Altparteien“ befreien wollten. Allerdings setze dieser Wunsch „klaren Abstand zu denjenigen voraus, die mit der Anwendung von Gewalt drohen oder auch nur spielen“.

In diesem Sinne unterstütze die AfD „jede Form des friedlichen, auch lautstarken Protests gegen eine Politik, die uns, die Bürger, vor vollendete Tatsachen stellt und als rassistisch, populistisch oder sonst wie diffamiert, wenn wir nicht anstandslos parieren“. Allerdings habe die AfD-Spitze erfahren, dass Protestkundgebungen sowohl von der äußersten Rechten als auch von der Linken, die weit ins bürgerliche Lager vorgedrungen seien, dazu benutzt würden, die Grenze zur Gewalt gezielt zu überschreiten.

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Dem dürfe die AfD nicht nachgeben. Im Rechtsstaat liege das Gewaltmonopol schließlich „aus guten Gründen beim Staat“. Und so empfiehlt Adam den AfD-Mitgliedern und den Sympathisanten der Partei „am entscheidenden Punkt, bei der Absage an die Gewalt, klare Kante zu zeigen und zu den Provokateuren von rechts und links gleichen Abstand zu halten“.

Adam will den Islam nicht pauschal kritisieren

Auf die Frage, ob er denn in Dresden mitdemonstrieren würde, antwortete Adam der „Welt“ ausweichend. Um diese Frage beantworten zu können, müsse er sich die Leute dort erst einmal genau anschauen und sich vergewissern, ob alles ordnungsgemäß sei, sprich, ob auf der Basis des Grundgesetzes demonstriert werde. Er müsse sich über die Ziele und Absichten der Bewegung eingehend informieren, sagt er.

Auch sei er weit davon entfernt, den Islam pauschal zu kritisieren oder gar zu verurteilen. „Gleichwohl muss man in diesem Zusammenhang nach möglichen Ursachen zwischen einer Glaubensüberzeugung und einer Gewaltbereitschaft fragen“, sagt er und verweist dabei auf die Salafisten, die von Deutschland aus nach Syrien in den Krieg ziehen. „Man muss fragen: Was haben zerstörte Familienverhältnisse damit zu tun? Und: Was haben diese jungen Leute eigentlich in unseren Schulen gelernt?“

Pegida demonstriert gegen Asylsuchende

In Dresden demonstriert das Bündnis Pegida gegen Flüchtlinge. Die Bewegung ist innerhalb kurzer Zeit stark gewachsen. Die Demonstranten werden nach kurzer Zeit von Gegendemonstranten gestoppt.

Quelle: Die Welt

Auf den Flugblättern, die von den Pegida-Organisatoren während der Demonstrationen verteilt werden, tritt die Bewegung für eine Politik ein, die sich kaum von den Zielen der AfD unterscheidet. So fordert sie eine gesteuerte Zuwanderung über ein Punktesystem nach dem Beispiel Kanadas. Sie fordert eine konsequente Abschiebungspolitik und „Null-Toleranz“ gegenüber straffällig gewordenen Zuwanderern. Sie ist für verstärkte Wiedereinreisekontrollen und die Bewahrung und den Schutz „der Identität unserer christlich-jüdischen Abendlandkultur“. Wörtlich heißt es darin: „Wir möchten, dass unsere Kinder in einem friedlichen und weltoffenen Deutschland und Europa aufwachsen können. Wir wollen eine Politik, die konsequent an dem Wohl der Bürger Deutschlands ausgerichtet ist.“

Auch Ost-AfD meidet klares Bekenntnis

Obwohl es in den ostdeutschen AfD-Landesverbänden viele gibt, die genauso denken, meiden auch deren Vorsitzende ein allzu klares Bekenntnis zu Pegida. „An der Spitze der Bewegung sind einzelne Leute nicht sauber“, heißt es in der Ost-AfD. Vor allem die Vergangenheit von Organisator Lutz Bachmann verhindert eine Annäherung.

In der „Bild“-Zeitung hatte Bachmann ausführlich über seine kriminelle Vergangenheit gesprochen. „Ich war 1996 ein ‚Panzerknacker aus Dresden‘, wie mich ,Bild‘ damals nannte“, sagte er. Damals war er in 16 Fällen wegen besonders schweren Diebstahls angeklagt. Es sollen Auftragseinbrüche für das damalige Dresdner Rotlichtmilieu gewesen sein. Als er auf Kaution freikam, flüchtete er 1997 nach Südafrika. Dort blieb er, bis im Jahr 2000 bei einer Kontrolle der Einwanderungsbehörde auffiel, dass sein Visum abgelaufen war. Es folgte eine dreijährige Haftstrafe in Dresden, von der er zweieinhalb Jahre absaß. Doch nur wenige Jahre später erwischte ihn die Polizei mit 40 Gramm Kokain. Diesmal wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Wie also soll sich die AfD zu Bachmann und Pegida verhalten? Auch am Wochenende hält der Streit darüber in der AfD-Führung an. Lucke, dem der Hintergrund des Pegida-Chefs ein Gräuel sei, habe noch eine „klare Absage an Gewalt, Hetze und politischen Extremismus“ in das Adam-Papier hingeschrieben, heißt es. Weitere Änderungen seien zu erwarten. Weitaus entschlossener ist dagegen die Pegida-Bewegung. Am Montag wird in Dresden wieder demonstriert. Über 32.000 Likes hat die Bewegung bereits auf Facebook. Viele davon dürften aus der AfD kommen.

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