Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Biodeutsch

Wie geht biodeutsch? Foto: PD

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Es war eine Geburt aus dem Geist der Komödie: «Bio-Deutsch» – später meist ohne Bindestrich «biodeutsch» – stammt ursprünglich aus der spitzen Feder von Muhsin Omurca. In den Neunzigern hat er es in seinen «Kanakmän»-Comicstrip hineingezeichnet, in der Berliner «taz»: Da klönt ein selbst ernannter «Bio-Deutscher» mit seinem deutsch-türkischen Nachbarn.

Der Karikaturist selbst war 1979 als 20-Jähriger aus der Türkei nach Deutschland gekommen, rief da bald das erste deutsch-türkische Kabarett ins Leben und wurde zu einem Gründervater der Ethnocomedy, mit der man Namen wie Kaya Yanar und Bülent Ceylan verbindet. Was Omurca nicht ahnen konnte: dass das hingeblödelte Wort später eine todernste Karriere hinlegen würde.

Wider die Diskriminierung

In den Nullerjahren eignete sich erst mal Cem Özdemir die Vokabel an. Der Grünen-Politiker mit den türkischen Eltern, von 2008 bis 2018 Bundesvorsitzender seiner Partei, schlug damit einen Pflock ein. Es dürfe keine Einteilung geben: Deutsche, bei denen dieses eine Wort – «deutsch» – vollauf genüge, und Deutsche mit Zusatz, also Passdeutsche, «Mitbürger mit Migrationshintergrund».

Gegen diese sprachliche, versteckte Abwertung führte er den «Bio-Deutschen» ins Feld. Der hat keinen Doppelpass, ist nicht bilingual, und das Alleinstellungsmerkmal als nur «Deutscher» ohne Anhängsel beziehungsweise Präfix verdient er nicht. Die linke Schickeria übernahm dies dann gern in ihren selbstironischen Pirouetten. Man signalisierte mit dem Präfix «Bio» das Bewusstsein für die eigene Beschränktheit und Privilegiertheit.

Muhsin Omurca schuf den Cartoon 1996.

Doch der Moment in der Geschichte, wo der Bioladen-Stammgast mit dem Biolabel-Deutschen tatsächlich zusammenfiel, war kurz. Schon besetzten die Rechtsgedrehten und -verdrehten das Wort. Sie deuteten die ironische Formel zum Kampfbegriff um und drucken sie mittlerweile stolz Aufkleber wie «100% Biodeutsch – Ist man, wird man nicht!» Dass es sowieso keine «unverfälschte» deutsche Abstammung gibt (was soll das sein?), ist an diesen Zeitgenossen ebenso vorbeigegangen wie die moderne Vorstellung von Staatsbürgerschaft, die mit dem «Gesetz des Bluts», «ius sanguinis», nicht mehr viel zu tun hat.

Nun ist der neue AfD-Sprech via NZZ bis in die Schweiz geschwappt und hat für Aufregung gesorgt. Michael Rasch, Wirtschaftskorrespondent in Frankfurt, hatte online berichtet, dass «die sogenannten Bio-Deutschen, also Deutsche ohne Migrationshintergrund» in vielen Städten nicht mehr die absolute Mehrheit der Bevölkerung stellten, was zu Verunsicherung führe. Er vertwitterte den Artikel auch mit dem Hashtag #biodeutsche. Das löste Proteste aus. Die NZZ hat den Begriff inzwischen aus dem Artikel gelöscht. Höchste Zeit für eine neue Wende in der Deutungsgeschichte.