Der Begriff "Alternative Fakten" ist zum Unwort des Jahres 2017 gekürt worden. Das entschied eine unabhängige und ehrenamtliche Jury um Linguistikprofessorin Nina Janich. Die Bezeichnung, die demnach 65 Mal vorgeschlagen worden war, sei "der verschleiernde und irreführende Ausdruck für den Versuch, Falschbehauptungen als legitimes Mittel der öffentlichen Auseinandersetzung salonfähig zu machen".  

Der Ausdruck geht ursprünglich auf Kellyanne Conway zurück. Damit hatte die Beraterin von Donald Trump die falsche Tatsachenbehauptung bezeichnet, zur Amtseinführung des US-Präsidenten Anfang 2017 seien so viele Feiernde auf der Straße gewesen wie nie zuvor bei entsprechender Gelegenheit. "Der Ausdruck ist seitdem aber auch in Deutschland zum Synonym und Sinnbild für eine der besorgniserregendsten Tendenzen im öffentlichen Sprachgebrauch, vor allem auch in den sozialen Medien, geworden", sagte die Sprecherin der Jury, Janich. Er stehe "für die sich ausbreitende Praxis, den Austausch von Argumenten auf Faktenbasis durch nicht belegbare Behauptungen zu ersetzen".

Rüge für "Shuttle Service" und "Genderwahn"

Insgesamt wurden der Jury 684 Vorschläge eingereicht, von denen wiederum 80 bis 90 den Kriterien der sprachkritischen Aktion entsprachen. Dazu zählen Begriffe wie "Atmender Deckel" aus der Diskussion über die Begrenzung der Flüchtlingszahlen oder Wörter wie "Softwareupdate", "Bio-Deutsche" und "Sprachpolizei". Knapp 20 Wörter zog die Jury schließlich in die engere Wahl.

In einem weiteren Fall rügten die Juroren zudem den Begriff "Shuttle Service" im Zusammenhang mit Seenotrettungseinsätzen von Nichtregierungsorganisationen im Mittelmeer. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Stephan Mayer, hatte den Begriff benutzt, der nach Auffassung der Sprachkritiker "stellvertretend für Tendenzen im öffentlichen Sprachgebrauch steht, die Grenzen des Sagbaren in eine menschenverachtende, polemisch-zynische Richtung zu verschieben". 

Außerdem prangerten die Sprachwissenschaftler die Formulierung "Genderwahn" an. Mit diesem Ausdruck würden in konservativen bis rechtspopulistischen Kreisen zunehmend Bemühungen um Geschlechtergerechtigkeit in undifferenzierter Weise diffamiert.

Sensibilität für Sprache in der Bevölkerung fördern

Zum Unwort des Jahres wird seit 1991 jedes Jahr ein Begriff gekürt, der gegen das Prinzip der Menschenwürde oder gegen Prinzipien der Demokratie verstößt, weil er gesellschaftliche Gruppen diskriminiere oder "euphemistisch, verschleiernd oder gar irreführend" sei. 2016 war die Wahl auf "Volksverräter" gefallen – ein Begriff, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und andere führende Politiker vor allem im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik von rechten Demonstranten immer wieder beschimpft worden waren. In den beiden Jahren zuvor wurden "Gutmensch" und "Lügenpresse" gekürt.

Ziel der sprachkritischen Aktion ist es, auf öffentliche Formen des Sprachgebrauchs aufmerksam zu machen und dadurch das Bewusstsein und die Sensibilität für Sprache in der Bevölkerung zu fördern. Die Jury wählt Formulierungen aus der öffentlichen Kommunikation, die gegen sachliche Angemessenheit oder Humanität verstoßen. Die Wörter sollen zudem eine "gewisse Aktualität" haben, und der Kontext, in dem sie gefallen sind, muss belegt sein.

Ganz anders das Wort des Jahres: Dazu kürt die in Wiesbaden ansässige Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) am Ende jedes Jahres einen Begriff, der nach Ansicht der Experten die öffentliche Diskussion in den vergangenen zwölf Monaten am meisten geprägt hat. Im Jahr 2017 war es "Jamaika-Aus". Als Satz des Jahres wiederum kürte ein weiterer Wettbewerb die Begründung der FDP zum Ausstieg aus den Sondierungsverhandlungen: "Es ist besser, nicht zu regieren, als falsch zu regieren."